Künstliche Intelligenz, Quant 4.0 im Asset Management und Robo-Advisory

FondsBoutiquen.de sprach mit Harald Schnorrenberg von der GET Capital AG über die Zusammenhänge von Asset Management, künstliche Intelligenz sowie über die Bedeutung von Risiko- und Return-Schätzern beim Investmentprozess.

Harald Schnorrenberg

ist seit 2006 als Vorstandsvorsitzender und Partner bei der GET Capital AG tätig. Er verfügt über mehr als 21 Jahre Erfahrung im Kapitalgeschäft.

Harald Schnorrenberg im Interview mit FondsBoutiquen

FondsBoutiquen: Seit wann beschäftigen Sie sich intensiver mit dem Themenkreis Künstliche Intelligenz und Asset Management?

Schnorrenberg: Seit 2009/10 beschäftigen wir uns mit KI. Viele Anleger mussten damals feststellen, dass klassische Portfolio-management- und Risikoansätze in Extremsituationen und den dann folgenden Erholungsphasen nicht immer gut funktionieren.

Wir haben nach besseren Lösungen gesucht. In der Zusammenarbeit mit Universitäten wurden wir auf das Thema Mustererkennung als Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz aufmerksam. Es war ein längerer Prozess. Den Investmentprozess haben wir seit 2012 vollständig auf KI umgestellt und automatisiert.

FondsBoutiquen: Haben Sie den Eindruck, dass die Investoren ein starkes Interesse für diesen Bereich entwickelt haben und hier aus-reichend Knowhow besitzen?

Schnorrenberg: Wir sehen wachsendes Interesse da das Thema Mainstream wird und diverse Anwendungen im realen Leben angekommen sind. Interesse sieht man besonders bei der Generation, die noch nicht in den Entscheiderrollen sitzen.

KI ist zwar wirkungsvoll, aber dennoch sehr komplex. Wenn man jedoch die Prinzipien verstanden hat, ist man als Anleger schon weiter als die Meisten.

FondsBoutiquen:Sie selbst haben eine besondere Expertise in der Betreuung klassischer institutioneller Investoren. Wie kam es zu der Idee bereits in 2012 einen eigenen Publikumsfonds aufzulegen?

Schnorrenberg: Wie bei den meisten Quant-Ansätzen ist KI komplex im Verständnis und Anleger tun sich einfacher, wenn sie ein Investment mit kleinen Beträgen live testen können. Publikumsfonds sind ein gutes Format das zu tun. Sie bieten mehr Vertrauen als beispielsweise Modellrechnungen.

FondsBoutiquen: Wie sieht der Investmentansatz Ihres Fonds aus?

Schnorrenberg: Unser Investmentprozess unterscheidet sich im Grunde kaum von den üblichen Ansätzen. Der wesentliche Unterschied ist die Art der Umsetzung. Nicht Portfoliomanager, sondern intelligente Algorithmen liefern die Handelssignale, und das durchgehend. Dieser Prozess ist dabei vollständig automatisiert. Dies bedeutet, es gibt keine händischen Eingriffe, lediglich Checks an erfolgskritischen Punkten.

Im Grunde ist das Industrie 4.0 im Asset Management. Gerade das Asset Management ist für KI prädestiniert, denn es sind große Datenmengen zu analysieren, Prognosen zu treffen und Optimierungen durchzuführen. Das kann Technologie heute in vielen Bereichen deutlich besser als der Mensch.

FondsBoutiquen: Es ist ohnehin sehr schwer in effizienten Märkten besser zu sein als die Benchmark, insbesondere nach Kosten.

Schnorrenberg: Ja. Wie sich in der Praxis zeigt, gelingt dies nur wenigen Managern konsistent über mehrere Jahre. Wir verlassen uns nicht auf klassische Analysen, sondern nutzen daher Synergien aus Big Data, Internet und Algorithmen der künstlichen Intelligenz, um aus der täglichen Datenflut Mehrwert zu generieren. Die Anlagestrategie wird von drei wesentlichen Input-Faktoren bestimmt:

  1. Risikoschätzer der relevanten Märkte
  2. Returnschätzer der relevanten Märkte sowie
  3. Optimierungsbedingungen (z.B. Risikobudget von x %)

FondsBoutiquen: Wie funktioniert das konkret, Return-und Risikoschätzer zu ermitteln und die Nebenbedingungen zu berücksichtigen?

Die Risiko-und Returnschätzer werden durch Marktveränderungen beeinflusst und passen sich an. Mit dieser Anpassung kann je nach Marktveränderung auch die Allokation des Portfolios verändert werden. Ebenfalls kann die Risikonebenbedingung eine Veränderung der Allokation auslösen, in Abhängigkeit der Auslastung. Die Anlageentscheidung wird in drei Schritten hergeleitet:

Schritt 1 Marktanalyse:

Über Regressoren und Klassifikatoren (KI-Methoden des Machine Learning) werden ca. 8.000 Wertpapiere der relevanten Märkte täglich daraufhin überprüft, ob sie grundsätzlich zur Investition freigeschaltet sind und wenn ja, welche die interessantesten Märkte im Sinne eines absoluten Returnschätzers sind.

 

Schritt 2 Portfolio-Konstruktion:

In diesem Prozess-Schritt werden individuelle Restriktionen (zum Beispiel das Risikobudget) und das definierte Gesamtuniversum in den Prozess eingeführt.

 

Schritt 3 Portfolio-Optimierung:

Hier fließen die relevanten Märkte aus dem definierten Gesamtuniversum mit den Return- / Risikoschätzern und den Portfoliorestriktionen zusammen. Es wird eine optimale Portfolio-Allokation mit allen Nebenbedingungen und Transaktionskosten festgelegt.

 

 

Abbildung: Investmentprozess. Der Investmentprozess ist vollständig automatisiert und erfolgt ohne menschliche Eingriffe.

 

 

 

 

 

Diese Returnschätzer-Logik bildet die Basis für Markteinschätzungen. Die regimeorientierten Returnschätzer werden durch ein Verfahren der Mustererkennung und deren intelligente Auswertung auf Basis von historischen Daten berechnet.

FondsBoutiquen:Wo findet man Ihren Ansatz neben dem klassischen institutionellen Geschäft?

Schnorrenberg: Institutionelle Investoren sind unsere Kernkund-schaft. Durch die Flexibilität und Skalierbarkeit der Plattform fungiert diese jedoch auch als Engine für den Robo-Advisor der Sparkasse Bremen: Smavesto. Übrigens hat Smavesto im November 2020 den Handelsblatt-Vergleich von 25 Robo-Advisern mit 10,2 % Rendite über 1 Jahr mit deutlichem Abstand gewonnen.

FondsBoutiquen:Welche Trends beobachten Sie gegenwärtig in Ihrem Kundensegment?

Schnorrenberg: Die Nullzinsen sind ein großes Problem. Hier wird händeringend nach Alternativen in allen erdenklichen Formaten und Formen gesucht. Dies erfordert einen erheblichen Knowhow-Aufbau, denn einfache Lösungen gibt es nicht mehr. So wird Kapitalanalage anstrengender. Wir erkennen eine starke Nachfrage nach Long/Short Produkten unterfüttert mit unserer Technologie.

FondsBoutiquen:Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich, wenn Sie einmal einen „frischen Kopf“ bekommen wollen?

Schnorrenberg: Die Welt besteht ja bekanntlich nicht nur aus Asset Management. Sport ist ein guter Ausgleich für mich. Ich spiele gerne Feld-Hockey und Tennis. Genau wie an den Kapitalmärkten lernt man dort Demut.

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